„Heilig“ oder „ehrwürdig“?

Der erste wissenschaftliche Theologe des Mittelalters ist der heilige Beda Venerabilis († 735).  Heute zählt er zu den Kirchenlehrern.

Sein Werk ist gigantisch: Bücher über Grammatik, Rhetorik, Mathematik und Physik, Meteorologie und Astronomie, Musik und Poesie. Vor allem aber ist der Mönch und Priester aus England der „Vater der Geschichtsschreibung“ in Europa. Sein Martyrologium ist Vorbild aller folgenden Schriften dieser Art. Abgebildet wird er mit Büchern, Schreibzeug, Schülern und Lehrern. Viele Predigten sind bis heute überliefert. Könige wie Geolwulf und Kirchenfürsten suchten bei ihm Rat. Kaum schläft er, sondern diktiert unermüdlich seine Schriften in dem Benediktiner-Kloster von Jarrow in Nord-England. Nach seinem letzten Diktat stirbt er mit den Worten auf den Lippen: „Es ist vollbracht!“

Der Festtag des Heiligen fällt auf den 25. Mai. Warum aber nennt ihn die Kirche mit Bei-Namen Venerabilis (der Ehrwürdige)? Das geschieht aus zwei Gründen: Im Alter ist er erblindet und muß einen Führer beim Laufen haben. Aus Spott und Übermut erzählt dem erblindeten Greis  auf dem Weg sein junger Führer, es sei eine große Menge Menschen anwesend, um Bedas Predigten zuzuhören. Tatsächlich aber „lauschten“ nur zahlreiche Steine des einsamen Pilger-Weges. Als Beda sein innerlich bewegtes „AMEN“ an seine Worte anfügt, ist es „als ob die Steine der einsamen Gegend antworten“: „Amen, ehrwürdiger Vater“. Eine zweite Begebenheit ist überliefert:  Als ein Kleriker sich mit dem Auftrag schwertut, eine passende Grab-Inschrift für Beda zu formulieren, hat über Nacht eine „Engel-Hand“ folgende Inschrift in den Stein gemeißelt: „Hac sunt in fossa, Beda venerabilis ossa“ (Hier ruhen die Gebeine des ehrwürdigen Beda).
Sr. M. Anja

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