Das Grundgesetz ist mangelhaft

Am 23. Mai 2019 haben wir den 70. Geburtstag des Grundgesetzes (GG) gefeiert. Viele gute Worte waren zu hören, Kritik nur selten.
Ist mit dem GG also alles in Ordnung?
Keineswegs.
Man muß es sogar als mangelhaft bezeichnen, nicht deswegen, was da steht, sondern deswegen, was nicht da steht.
Es fehlt nämlich etwas Wesentliches.

Schlagen wir das GG auf, finden wir zuerst die Grund-Rechte in nicht weniger als 19 Artikeln. So weit, so gut. Danach erwarten wir aber auch einen Abschnitt über die Grund-Pflichten. Doch er kommt nicht.
Statt dessen ist von ganz anderen Dingen die Rede.

Das GG zeichnet also ein ein-seitiges Menschenbild:
Der Mensch hat Rechte, aber keine Pflichten. Und das ist von großer Bedeutung. Denn das Denken in Rechten trennt die Menschen, fördert eine Anspruchs-Haltung und den Egoismus.
Man verliert den anderen aus den Augen und kreist nur noch um sich selbst. Pflichten aber verbinden die Menschen, halten die anderen im Blick und schaffen eine solidarische Gemeinschaft.

Pflichten würden die Erziehungs-Ziele der Familien und Schulen und das gesamte Leben des Volkes prägen. Wenn man davon spricht,
Kinder-Rechte in die Verfassung aufzunehmen, vergißt man auch da wieder, daß Kinder auch Pflichten haben.
Den Kindern immer nur von ihren Rechten zu sprechen, bedeutet letztlich, Tyrannen heranzuzüchten.
In Zeiten wie heute, da die Gesellschaft auseinanderdriftet, wären Pflichten eine Klammer für den Zusammenhalt. Als Pflichten könnten im Grundgesetz etwa genannt werden: Solidarität, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit und Friedensliebe. Schon im ersten Artikel des GG ist die Rede von den Menschenrechten als Grundlage des Friedens und der Gerechtigkeit. Mindestens ebenso wichtig für Frieden und Gerechtigkeit sind aber Pflichten! Wie konnte man das nur vergessen?
Werner J. Mertensacker

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