Schlagwort: Tradition

Der junge Mann erlebt erstmals die altehrwürdige Meßfeier.
Das Einzige, was er bisher von ihr weiß: Der Priester wendet sich nicht zuerst zur Gemeinde, sondern vor allem nach Osten, zum Sonnen-Aufgang, zum Symbol für die Auferstehung CHRISTI (Mk 16,2).

Während des Eingangsliedes wundert sich der junge Mann: Der Priester wagt nicht, sofort zum Altar hochzugehen, sondern bleibt nach der Kniebeuge an dessen Stufen stehen und betet still mit den Ministranten. Danach stimmt eine kleine Schola einen schlichten, lateinischen Wechselgesang an. Die Gemeinde antwortet in Latein, obwohl doch die meisten wohl kaum diese Kirchensprache kennen. Doch sie scheinen in regelmäßiger Übung.

Die Lesung und das Evangelium liest der Priester selbst auf Deutsch vor. Noch vor den Worten JESU wird das Meßbuch von einer zur anderen Altarseite getragen, eine kleine Ehrfurchts-Prozession. Der junge Meßbesucher sieht, daß diese symbol-trächtigen Zeichen liebevoll vollzogen sind. Die Predigt betont die 2.000jährige Tradition des vom HEILIGEN GEIST gewirkten Ritus: „Halte die Form, und die Form hält dich!“ Wiederholt unterbrochen von Zeichen kleiner Glöcklein. Sie begleiten das Hochzeigen der heiligen Hostie und des Kelches mit dem Blut JESU.

Die seitwärts ausgestreckten, erhobenen Arme des Priesters deuten ein Kreuz an. Das ganze Meßopfer ist durchdrungen von einer Atmosphäre des Übernatürlichen. Zuletzt in dieser Kanon-Stille, das Amen aller.

Erstaunt ist der junge Mann, daß der Priester allein das Paternoster singt: Hier wird CHRISTUS dargestellt, ja mehr noch: ER ist es. Dann: Agnus Dei, Lamm GOTTES, wie in der deutschen Messe dreimal, jedoch feierlich gesungen. Kein Händeschütteln als Friedensgruß. Aber vor dem Reichen der Heiligen Kommunion eine letzte Vorbereitung: Eine allgemeine Lossprechung von Sünden, kein Beicht-Ersatz, sondern eine Bitte an den himmlischen Vater durch CHRISTUS. Zusätzlich folgt gleich dreimal das „HERR, ich bin nicht würdig“. Alle, die kommunizieren, knieen, öffnen direkt ihren Mund, als seien sie Kinder. Die wohl tiefste Form der Anbetung!

Sorgfältig streift der Geistliche auch die kleinen Hostien-Teilchen von der Patene in den Kelch. Nach den Schlußgebeten und dem Segen erneut ein altes deutsches Meßlied. Der junge Mann, nicht gerade ein Kirchenlicht, denkt über das Wort eines Freundes nach: „Umsteigen, nicht aussteigen!“     Pfr. Winfried Pietrek

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Zwischen Anhängern und Gegnern der klassischen Liturgie herrschen Spannungen – auch wegen zu großer Ich-Bezogenheit.

Die einen halten die neue Art der Meßfeier für unerträglich oder sogar ungültig, die anderen sind glücklich über den „liturgischen Fortschritt“ und wenden sich gegen die „Rückwärtsgewandten“. Beide haben Unrecht. Denn beiden ermöglicht die Kirche, ihre Art der Meßfeier zu vollziehen. Und: ein Teil der unbrüderlichen Ablehnung ist wohl Gewöhnung.

Die im Gebet vollzogenen Wahrheiten bleiben dieselben durch die Jahrhunderte. Worte und Handlungen können zwar verdeutlich und entfaltet werden, doch GOTT bleibt derselbe, das heilige Meßopfer bleibt Sühne-Opfer. Jeder „moderne Gottesdienst“, der in Credo, Worten, Geist und innerer Haltung der 2000 jährigen Tradition Rechnung trägt und ehrfürchtig gefeiert wird – was wiederum von dem einzelnen Priester abhängt oder sich in der Frage der Mund-Kommunion der Gläubigen konkretisiert – sollte nicht zum Stolperstein einer friedlichen Koexistenz von Tradition und Moderne werden.
Pfr. Winfried Pietrek

Verteil-Info: Klassische Liturgie

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